"Wolf in Schweden"
Was wir aus schwedischen Wolfsproblemen lernen können
Längst ist aus vielen Ländern belegt, dass Wölfe keine Wildnis brauchen, sondern auch in relativ dicht besiedelten Kulturlandschaften überleben. Ob und wo sie es wirklich tun, hängt nur davon ab, ob man sie lässt. Entscheidend ist einzig und allein, ob die Menschen vor Ort bereit sind, die entstehenden Konflikte konstruktiv zu bewältigen. Wohin auch immer der Wolf "neu" wiederkommt, es zeigt sich in ganz Europa zunächst stets das selbe Muster von Unverständnis, Angst, Aggression - und der Ablehnung von Lösungen, die auf Koexistenz abzielen.
Die langfristige Perspektive - für oder gegen Wolf - kann trotzdem sehr unterschiedlich sein. Ob die Waagschale sich in die eine oder andere Richtung neigt, hängt aber kaum von rationalen Argumenten ab. Wesentlich ist vielmehr, ob wir die soziologischen, politischen und psychologischen Prozesse verstehen, die das Wiederkommen des Wolfes begleiten. Nur als Konsequenz aus diesem Verstehen können wir es schaffen, bei möglichen Konfliktpartnern durch frühzeitige und sensible Integration die Bereitschaft herzustellen, die Diskussion auf die sachliche Ebene zurück zu führen.
Ein Musterbeispiel für eine Entwicklung, bei der die Konfliktbewältigung derzeit völlig außer Kontrolle geraten ist, ist die Situation in Schweden. Hier versucht sich die Regierung zwischen den Fronten hindurch zu lavieren. Aktuell plant sie ein Maximalziel von 180 Wölfen - nach Verbesserung des genetischen Zustandes durch Einsetzen von Welpen russisch finnisch-Herkunft in schwedische Wurfhöhlen. Um dieses Maximalziel zu erreichen, soll die - zur Zeit wegen drohender EU-Sanktionen ruhende - Jagd wieder aufgenommen werden. Man verspricht sich davon offiziell eine bessere Akzeptanz für die Wölfe.
Weil die Wiederbesiedlung dort schon sehr viel früher einsetzte als bei uns, erlaubt uns die schwedische Situation einen Blick auf eine mögliche Zukunft, die wir für uns ausschließen sollten, indem wir lernen, was wir rechtzeitig anders machen müssen.
Noch in den 1820er Jahren gab es in Schweden 4000 bis 5000 Wölfe, allein nach dokumentierten Zahlen wurden etwa 6800 dieser Tiere in den 1830er Jahren getötet und schon 1860 lebten dort vermutlich weniger als heute. Diese Entwicklung setzte sich fort und in den 1970er Jahren waren die Wölfe in Skandinavien praktisch ausgerottet. Die Wiederansiedlung setzte Anfang der 1980er Jahre ein und verlief zunächst sehr langsam. Ein Grund dafür war die genetische Situation: Die im Jahr 2007 vorhandenen 150 Wölfe stammten von nur drei Individuen ab, Inzucht stellte ein schwer wiegendes Problem dar. Inzwischen gibt es ca. 300 Wölfe von fünf Vorfahren. Die genetische Situation hat sich damit noch kaum verbessert. Die Zuwanderung aus der russischen Population ist fast unmöglich, weil bis zum Erreichen der schwedischen Wolfsterritorien etwa 1000 km Rentierzuchtgebiet durchquert werden müssen. Dort werden Wölfe in der Regel abgeschossen.
Neben dem Konflikt mit der Rentierhaltung gibt es die üblichen Probleme mit Übergriffen auf Nutztiere - vor allem dort, wo Wölfe neu eingewandert sind - und eine gewisse Jagdkonkurrenz. Emotional noch erheblich schwerer wiegen aber in der sehr stark mit traditionellen Waldnutzungsformen verbundenen Landbevölkerung der waldreichen Wolfsgebiete der Verlust von etwa 10 bis 50 Jagdhunden pro Jahr und die Angst, zum Pilzesammeln, Beerenpflücken und zur Erholung nicht mehr in den Wald gehen zu können. Vergleichende Hinweise auf die erheblich größeren Hundeverluste durch Verkehr, Wildschweine und Jagdunfälle werden ebenso wie sachliche Informationen über die reale Gefährdung von Menschen durch Wölfe eher mit empörten Verharmlosungsvorwürfen quittiert. Sie verhelfen nicht zu einer rationalen Auseinandersetzung sondern vertiefen Gräben. Einwohner trauen sich nicht, auf sachliche Argumente offen angemessen zu reagieren, weil sie schnell als "Verräter" gebrandmarkt sind. So etwas finden wir genauso in Deutschland.
Der Hintergrund dieser Trotz- und Verweigerungshaltung ist ein tiefer gehender, lange schwelender Konflikt. Jahrzehntelang musste die Landbevölkerung Veränderungen ihres Lebens hinnehmen, die von Repräsentanten der urbanen Bevölkerungsmehrheit in der Regierung beschlossen wurden. Die Large Carnivore Initiative for Europe schreibt hierzu:
"The wolf issue has become highly symbolic for a wide range of other conflicts between rural and urban areas, which has often resulted in illegal killing of wolves. Social science research has also revealed how the presence of wolves and the way they are managed clashes with some of the fundamental values of rural people. The result is that wolf recovery has become very controversial in Sweden, as in many other European countries."
Der Wolf wird zum Symbol für all das Unrecht, dem man sich ausgesetzt glaubt: "Der Wolf ist der Saddam Hussein des Waldes". Gegen politische Mehrheiten kann man sich nicht wehren, der Wolf ist dagegen ein leichtes Opfer für nächtliche illegale Feldzüge, wie der Film "Wolfskrieg" des schwedischen Fernsehens zeigt.
Die verbale und aktive Gegnerschaft zum Wolf wird zum Knüppel eines Teiles der Bevölkerung, zum Knüppel, mit dem man eigentlich die Politik schlagen will. Der Wolf wird politisch instrumentalisiert und dabei selbst zum unschuldigen Opfer eines Stellvertreterkonfliktes.
Parallelen zu anderen Wiederbesiedlungsgebieten sind offensichtlich - auch hier bei uns in Deutschland. Die Konflikte sind andere, aber auch hier sind ihre Grundlagen letztlich irrational. In Schweden hat das Nicht-Verstehen dieser Tatsache dazu geführt, dass man solchen Hintergründen zu wenig Bedeutung beimaß und in dieser Hinsicht hilflos blieb. Die gute sachliche Aufklärung in Schweden konnte deshalb nicht verhindern, dass der Konflikt dort immer noch weiter eskaliert.
Diesen Fehler können wir hier vermeiden - noch. Wir müssen dafür zweierlei beherzigen: Wir sollten zum einen Ängste und diejenigen, die diese Ängste äußern, ernst nehmen und die Verunsicherten frühzeitig als Partner in den Informationsprozess einbeziehen, dabei aber selbstverständlich in unseren sachlich begründeten Positionen nicht nachgeben und Querulanten keine Bühne bieten. Zum anderen sollten wir gegebenfalls die Hilfe derjenigen in Anspruch nehmen, die sich professionell mit der Erforschung von Konflikten und mit Strategien zur De-Eskalation beschäftigen.
„Der Wolf in Mythen und Märchen“
Dr. Utz Anhalt
Unter der Überschrift „Der Wolf in Mythen und Märchen“ beleuchtet Utz Anhalt das Thema aus einer ganz besonderen Sicht. „Nur wenigen ist bekannt, dass der Menschwolf keine Erfindung der Literatur ist. Der Werwolf ist vielmehr eine Figur der Mythengeschichte über Jahrtausende, die bis in die Wurzeln unserer Psyche reicht, in die Zeit als der Wolf allgegenwärtiger Nachbar war“, erklärt Anhalt. Die Sage vom Wolfsmensch erzähle auch davon, dass der Wald einmal das Zuhause des Menschen war.
"Wolf im Recht"
Ministerialrat Prof. h.c. mult. Dr. jur. Hans Walter LOUIS LL.M. Mitglied des Deutschen Rates für Landespflege seit 1995
Prof. Dr. Hans Walter Louis (Jahrgang 1948) gehört zu den renommiertesten Umweltrechtsexperten Deutschlands. Er schloss sein Studium der Rechtswissenschaften 1976 an der Georg-August-Universität Göttingen mit dem zweiten juristischen Staatsexamen ab. Anschließend war er in der Zeit von 1976 bis 1982 wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Rechtswissenschaften der Technischen Universität Corolo-Wilhelmina zu Braunschweig. Seit 1977 war er dort Lehrbeauftragter für Datenschutzrecht. Im Jahr 1994 übernahm er dann als Lehrbeauftragter die Bereiche für Umwelt und Planungsrecht an der Gottfried Wilhelm Leibnitz Universität Hannover. Ab 1996 war er dort auch Honorarprofessor.1981 Erwarb er die Promotion im Steuerrecht, 1982 den Master of Law (LL.M) an der University of California in Los Angeles, USA. Von 1983 bis Anfang 1990 war er als Dezernent bei der Bezirksregierung Braunschweig tätig. Zunächst als Verwaltungsleiter des Staatstheaters Braunschweig, sodann als Dezernent für Kommunalaufsicht, Abfall, Naturschutz- und Baurecht. In der Abordnungszeit Dezernent für das Ordnungs-, Jugend- und Sozialamt beim Landkreis Wolfenbüttel. Seit 1990 war er Leiter des Referats Naturschutz im Ministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten. 1998 leitete Prof. Dr. Louis das Referat Klimaschutz und ab 2000 das Referat Abfallrecht und Bodenschutz. Im August 2003 bis zum Ende des Jahres 2007 wurde er Leiter des Referats Naturschutzrecht, Eingriffsregelung, Umweltverträglichkeitsprüfung und Zugang zu Umweltinformation. Gleichzeitig war er in dieser Zeit stellvertretender Leiter der Referatsgruppe Naturschutz. Seit November 2007 ist er in der passiven Phase seiner Altersteilzeit. Prof. Dr. jur. Hans Walter Louis ist Mitglied der Akademie der Geowissenschaften und Geotechnologien zu Hannover. Im oblag die Schriftleitung der „Natur und Recht“ des Springer Verlages. Er ist Mitglied des Nuturschutzbeirates der obersten Naturschutzbehörde des Landes Brandenburg sowie Mitglied des wissenschaftlichen Beirates der Bayerischen Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege.
"Der Wolf in Brandenburg"
Steffen Butzeck
Der Biologe Steffen Butzeck aus Burg Spreewald ist für die Aufnahme von Wolfshinweisen und Schadensfällen in Brandenburg zuständig. Zu seinen Aufgaben gehört ebenso die Beratung von Nutztierhaltern in ganz Brandenburg.
Steffen Butzeck arbeitet im Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz in Brandenburg und ist dort zuständig für die landesweite Koordinierung von Schadensmanagement und Prävention. Als regionaler Ansprechpartner für Südbrandenburg steht er für Monitoring, Schadensmanagement und Prävention zur Verfügung.
Zusammenfassung Vortrag Steffen Butzek
150 Jahre galt der Wolf in Deutschland als ausgestorben. Dennoch überquerten ca. 50 Wölfe nach dem zweiten Weltkrieg die Grenze nach Ostdeutschland, wurden jedoch alle erlegt. Viele Gedenksteine und Fotos der Wolfsjäger halten dies in Erinnerung.
Heute ist der Wolf eine streng geschützte Tierart. Nach den FFH Richtlinien und dem Bundesnaturschutzgesetz ist jede Handlung gegen den Wolf, die nicht der direkten Gefahrenabwehr dient, ohne Genehmigung der Naturschutzbehörde verboten. Die Wolfsarbeit splittet sich in drei Bereiche auf: Bestandsbeobachtung, Schadensvorbeugung und Schadensregulierung.
Dabei sind viele Institutionen beteiligt. Dachverband ist der MUGV. Neben den NOG´S (nicht Regierungsorganisationen) wie der Kreisjägerschaft, Umweltschutzorganisationen oder privaten Verbänden wie der Gesellschaft zum Schutz der Wölfe sind auch Wildbiologen, Kreisveterinäramter, ehrenamtliche Wolfsbetreuer und Forstbehörden involviert. Einen wichtigen Teil der Bestandsbeobachtung übernehmen Wolfsbetreuer. Sie suchen Spuren und Fährten der Wölfe oder installieren Fotofallen.
Die Bestandsentwicklung in Brandenburg begann in der Zschornoer Heide und setzte sich über die Lieberoser Heide, den TÜP Wittstocker Heide fort. Es folgten der TÜP Jüterborg, Tagebau Welzow Süd, TÜP Lehnin, die Anaburger Heide und der TÜP Altengrabow Das Spemberger Rudel und die Wölfe in Sperenberg vervollständigten bis August 2011 den derzeitigen Wolfsbestand in Brandenburg. Einige der Wolfsterritorien grenzen an die benachbarten Bundesländer oder überlappen sich mit diesen.
Für die Schadensvorsorge in Brandenburg sind beratende Gespräche mit Nutztierhaltern und Verbänden geführt worden. 2010 erfolgte eine flächendeckende Halterinformation über LUGV-TSK. Wichtig ist die Begleitung von Förderanträgen und Stellungnahmen.
Prävention und Monitoring zeitnah miteinander zu verbinden ist ein weiterer wichtiger Faktor. Neben der wolfsicheren Zäunung von Schafherden sind Herdenschutzhunde ein erfolgreiches Konzept gegen Wolfsangriffe. Über den LSZV wurden im Zeitraum 2009/2010 64.100€ Drittmittel in diesem Bereich zur Verfügung gestellt.
Der Schutz von Tieren innerhalb eines Wildgatters unterscheidet sich von dem wolfsicheren Zaun bei Schafherden. Hier haben sich mit Strom durch ein Batteriegerät betriebene Elektrozäune (Euronetze) mit einer Höhe von 1,20 Metern bewährt. Zusätzlich kann oberhalb des Zaunes noch ein Flatterband bzw. wehende Stofflappen angebracht werden. Bei einem Wildgatter ist eine Höhe von 1,80 Metern erforderlich. Darüberhinaus muss der Zaun ca. 50 cm tief in den Boden eingelassen werden. Bei Hindernissen im Boden sollte der Zaun nach vorne umgelegt und mit Krampen im Boden befestigt werden.
Die finanzielle Unterstützung von Tierhaltern unterteilt sich in gewerbliche und nicht gewerbliche Tierhalter. Die nicht gewerblichen Tierhalter erhalten im Schadensfall eine finanzielle Unterstützung auf Bewertungsgrundlage des Marktwertes der verlorenen Tiere. Gewerbliche Tierhalter bekommen neben dieser Zahlung auch Fördermittel zur Schadensprävention. Hier sind z.B. Mittel zur Anschaffung von Herdenschutzhunden oder Maßnahmen zur Abwehr von Wolfen zu nennen.
Die finanzielle Unterstützung bei Übergriffen auf Nutztieren wird immer dann gezahlt, wenn der Wolf als Verursacher nicht auszuschließen ist. Die Landeshilfe für Schäden mit Wolfshintergrund belief sich im Jahr 2007 auf 555,92 €. Im Jahr 2008 waren es bereits 10.283,19€, 2009 7.769,57 €, danach im Jahr 2010 wurden 20.545,25 € ausgezahlt und 2011 3.470,66 €.
Bei der Untersuchung der Nutztierrisse in Brandenburg im Zeitraum 2007-2011 war der Wolf in 49,5 % der Fälle als Verursacher nicht auszuschließen. In 20,8 % war der Hund und in 4 % der Untersuchungen der Fuchs für die Risse verantwortlich. Bei 5,9 % der Fälle handelte es sich um Totgeburten und 13,9 % der Begutachtungen konnten nicht zugeordnet werden und der Verursacher blieb unbekannt.
Die Nahrungsmittelanalyse durch das Senckenberg Museum für Naturkunde in Görlitz kam bei 1811 untersuchten Wolfslosungen zu folgendem Ergebnis:
Rehwild mit 54 % ist die bevorzugte Nahrungsquelle der Wölfe, gefolgt vom Rotwild (22 %), Schwarzwild(18 %), Hasenartigen (3. %), Muffelwild (1%) und anderen. Haustiere schlagen mit lediglich 0,6 % zu Buche.
Im Schadensfall informiert der betroffene Tierhalter direkt das LUGV Brandenburg oder die Meldung wird vom Veterinäramt/Umweltamt/UNB/Jagdbehörde bei Wolfsverdacht an das LUGV weitergeleitet. Dort wird die Schadensabwicklung federführend übernommen und bei Bedarf zieht man Externe wie einen Wolfsbetreuer hinzu. Die Auswertung erfolgt im Landeslabor Berlin-Brandenburg, die Ermittlung der Schadenshöhe übernimmt die LELF.
Wird ein Wolf verletzt oder tot aufgefunden, informiert der Finder meistens die Polizei, einen Wolfsbetreuer, die uNB oder die Gemeinde. Von dort aus erfolgt eine Meldung an das LUGV, wo eine Begutachtung durch eine erfahrene Person oder einen Tierarzt angeordnet wird. Je nach Umfang und Schwere der Verletzung kann eine Freilassung oder Notversorgung mit Unterbringung erfolgen. Ist eine Heilung des verletzten Wolfes nicht möglich, wir dieser eingeschläfert.